Der Vorsitzende der Unterkommission der Deutschen Bischofskonferenz für den Interreligiösen Dialog, Bischof Dr. Georg Bätzing (Limburg), hat den Aleviten in Deutschland zum Muharram-Fasten und dem anschließenden Aşure-Fest am 23. September 2018 die Glück- und Segenswünsche der Deutschen Bischofskonferenz in einer Grußbotschaft übermittelt:

„Am 11. September beginnt für Sie in diesem Jahr das Fasten im Monat Muharrem, an das sich zwölf Tage später das Fest Aşure anschließt. Im Namen der Deutschen Bischofskonferenz und der katholischen Christen in unserem Land sende ich Ihnen anlässlich Ihrer Fasten- und Feiertage meine herzlichen Glück- und Segenswünsche.

Das geistig-religiös begründete Fasten schenkt dem gläubigen Menschen die Möglichkeit innerer Einkehr und eröffnet ihm damit immer wieder neu einen Weg, mit sich selbst, seinen Angehörigen, seinen Freunden und auch mit seiner Umwelt wieder in Einklang zu gelangen. Das religiöse Fasten kann uns als Kompass dienen, der uns auf unseren Wegen  Orientierung gibt – und dies insbesondere dann, wenn wir spüren müssen, das Ziel nicht mehr vor Augen zu haben. So kann das Fasten unseren Blick für die wirklich wichtigen Dinge im Leben schärfen und uns vor den Versuchungen des Lebens wie Hochmut, Gier, Neid und Egoismus bewahren.

Hacı Bektaş Veli, den Sie besonders verehren, wird der Satz zugeschrieben: ‚Vergiss nicht, dass auch dein Feind ein Mensch ist.‘ In dieser einfachen Aussage liegt tiefe Weisheit. Sie lenkt den Blick auf das Wesentliche, indem sie das die Menschen Verbindende in den Mittelpunkt stellt. In eine ähnliche Richtung weisen die Zeilen von Papst Franziskus, der 2016 einen Text über die Sorge für unser gemeinsames Haus, unsere eine Welt, mit dem Titel Laudato siʻ veröffentlicht hat. Darin heißt es: ‚Wir müssen uns stärker bewusst machen, dass wir eine einzige Menschheitsfamilie sind. Es gibt keine politischen oder sozialen Grenzen und Barrieren, die uns erlauben, uns zu isolieren, und aus ebendiesem Grund auch keinen Raum für die Globalisierung der Gleichgültigkeit‘ (Nr. 52).

Mir scheinen diese Aussagen sehr wertvoll, denn sie mahnen uns gerade in schwierigen Situationen und in den Konflikten des Lebens, das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren: dass alle Menschen, ohne Unterschied, Geschöpfe Gottes sind. Wir sind berufen, mit unseren Mitmenschen und mit der Natur so gut wie nur möglich in Einklang und Harmonie zu leben. Es darf uns kein Hindernis davon abhalten, uns für das Wohl unserer Mitgeschöpfe und für die Erhaltung unserer Erde einzusetzen: Wir sind eine Menschheitsfamilie und tragen die Verantwortung dafür, dass auch die kommenden Generationen eine bewohnbare Erde vorfinden.

Verehrte alevitische Gläubige! Genau an diesem Punkt prägt und verändert das religiöse Fasten den Menschen. Denn es schärft die Sinne und eröffnet den Weg zum Schöpfer und zum Einvernehmen mit allen seinen Geschöpfen.

Möge Ihre Fastenzeit Ihnen auch in diesem Sinne Segen schenken und in ein frohes Aşure-Fest hinüberleiten. Die süße Speise, die Sie zur Erinnerung an das Überleben in der Arche Noahs bereiten, möge uns allen ein Zeichen für die Güte Gottes sein. Gott, der Schöpfer und das Ziel unseres Lebens, nehme Ihr Fasten an und gewähre Ihnen in den Gemeinden und Familien ein besinnliches, frohes und friedliches Aşure-Fest.

Friede sei mit Ihnen!“

Hintergrund
Die Fastenzeit der Aleviten im Monat Muharram, dem ersten Monat des islamischen Kalenders, dauert in diesem Jahr vom 11. September bis 22. September. Während dieser zwölf Tage, deren Zahl an die zwölf Imame erinnert, gedenken die Aleviten insbesondere des gewaltsamen Todes des Imam Hüseyin und von 72 seiner Familienangehörigen und Anhänger im Jahr 680. Im Anschluss an das Fasten – in diesem Jahr am 23. September – feiern die Aleviten das Aşure-Fest, an dem in Erinnerung an das Überleben in der Arche Noah eine Speise aus zwölf Zutaten (Aşure) zubereitet und mit Nachbarn und Freunden geteilt wird. Das alevitische Aşure-Fest ist nicht mit dem Aschura-Tag der Schiiten und der Sunniten zu verwechseln, der in diesem Jahr auf den 20. September fällt und mit dem sich zum Teil ähnliche, zum Teil andere Überlieferungen verbinden.

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