Die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. (AABF) begrüßt das Urteil des EGMR gegen die Verletzung der Religionsfreiheit und den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in der Türkei
Die Türkische Republik wurde heute wiederholt vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg verurteilt, die Rechte der Aleviten zu achten. In einem aktuellen Grundsatzurteil (Fall No. 62649/10) wurden sowohl die Verletzung der Religionsfreiheit als auch der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in der Europäischen Menschenrechtskonvention konstatiert. Wie der EGMR festhält, werden grundlegende Eigenschaften des Alevitentums wie der CEM (religiöse Zusammenkunft der Aleviten), das CEMEVI (Cem-Haus, sakraler Ort zur religiösen Ausübung der Aleviten) und DEDES/ANNAS (alevitische Geistliche) rechtlich nicht akzeptiert, sondern als sufistische Folklore abgetan.
Melek Yıldız, stellvertretende Generalsekretärin der Alevitischen Gemeinde Deutschland, begrüßt dieses Urteil:
„Das Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ist längst überfällig und sehr zu begrüßen. Wir dürfen die Missachtung von fundamentalen Menschenrechten nicht länger hinnehmen. Ich befürchte aber, dass dieses Urteil keine Verbesserung der Menschenrechtslage herbeiführen wird. Solange Erdoğan für den Flüchtlingsdeal gebraucht wird, wird die „Harte Hand der Unterdrückung und der Willkür“ herrschen. In der Türkei leben schätzungsweise 15-20 Millionen Aleviten unter diesen Bedingungen.“
Während BürgerInnen mit muslimischem Glauben stets die Vorzüge des staatsfinanzierten Islams über das Türkische Amt für Religionsangelegenheiten (DIYANET) und in Deutschland durch deren Ableger, die DITIB, erhalten, werden den Aleviten wie selbstverständlich Rechte vorenthalten. Eine berufliche Chance im türkischen Staat ist nicht vorhanden, dieses geht soweit, dass auch das Offizierskorps von Andersgläubigen und Andersdenkenden gereinigt wird. Es gibt bisher keinen staatlichen Versöhnungs- und Dialogprozess, der nicht auf die Assimilierung der Aleviten ausgerichtet wäre. Der türkische Staat geht sogar lernresistent vor und missachtet bereits gefällte Urteile des EGMR absichtlich. Alevitische Schülerinnen und Schüler dürfen nach der Rechtsprechung aus dem vergangenen Jahr nicht zum islamischen Zwangsunterricht gezwungen werden, was aber bis heute passiert. Überdies werden Aleviten als Steuerzahler gezwungen ihre eigene Unterdrückungsmaschinerie mitzufinanzieren.
Hierzu erklärt Aziz Aslandemir, stellvertretender Bundesvorsitzender der Alevitischen Gemeinde Deutschland:
„Die Türkei offenbart jedem Menschen mit gesundem Verstand, dass sie sich immer weiter von der europäischen Rechtsnorm und Werteordnung entfernt. Bereits bevor die türkische Medienwelt gleichgeschaltet wurde, hat man uns Aleviten die Daseinsberechtigung genommen.“
Insbesondere alevitische Schülerinnen und Schüler werden in der Türkei und in Europa durch die gleiche Hassrhetorik als Häretiker oder Buchlose verunglimpft. Am 5. Mai 2015 hat Recep Tayyip Erdoğan vor rund 14 000 Anhänger in Karlsruhe verkündet, dass das „Alevitentum“ keine „Religion“ sei.
Das aktuelle Urteil bestätigt daher das Recht der Aleviten auf einen eigenen Achtungsanspruch. Das gilt damit für sämtliche Unterzeichner der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Konventionsstaaten sollten mit gutem Beispiel vorangehen und ähnlich der Islamischen Theologie Alevitische Professuren etablieren. Auch die türkeistämmigen Gemeinden und Organisationen in Deutschland sind gefragt, sich für Menschenrechte in der Türkei zu positionieren
Die Alevitische Gemeinde Deutschland steht als verlässlicher Partner für den interreligiösen Dialog und die Politik bereit.
Auf dem folgendem Link befindet sich das Gerichtsurteil zum Nachlesen: http://hudoc.echr.coe.int/eng-press?i=003-5358689-6688703#
Für Fragen und weitere Auskünfte:
Melek Yıldız
Stellv. Generalsekretärin
E-Mail: melek.yildiz@alevi.com