Pressemitteilung: Stellungnahme zum Ausreiseverbot von Turgut Öker aus der Türkei
07.11.2019
Der politische Druck auf die alevitischen Verbände in Europa, die der Präsident der Türkischen Republik, Recep Tayyip Erdoğan, unlängst zu Feinden erklärt hat, geht vor den Augen der Weltöffentlichkeit weiter.
Bereits zuvor wurde seitens der regierungsnahen Presse versucht, die alevitische Gemeinschaft mit Falschmeldungen in die Ecke zu drängen; zum aktuellen Zeitpunkt hingegen müssen wir feststellen, dass auch die türkische Justiz als Druckmittel missbraucht wird. Ein letzter Beleg hierfür ist das Gerichtsverfahren gegen den Ehrenvorsitzenden unseres Verbands, Turgut Öker, aufgrund seiner Reden und Social Media Beiträge aus den Jahren 2014 und 2015.
Mit den Postings hatte er zum einen die Benennung der dritten Bosporus-Brücke in Istanbul als „Yavuz Sultan Selim-Brücke“ kritisiert und zum anderen zur Sprache gebracht, dass sich die alevitische Gemeinschaft mit den Opfern der Gezi Proteste in Trauer und Verbundenheit zeigt. Unser Ehrenvorsitzender hat sich dem Verfahren nicht entzogen, sondern ist freiwillig in die Türkei eingereist. Den Umstand, dass nun ein Ausreiseverbot gegen ihn verhängt wurde, bewerten wir als eine politische Maßnahme zur Einschüchterung der gesamten alevitischen Gemeinschaft.
Darauf deuten auch die Anklagen und Verhaftungen von hunderten weiteren alevitischen Verbandsfunktionären und Mitgliedern in den letzten zwei Jahren in der Türkei aufgrund ihrer Social Media-Beiträge. Während manche von diesen mit Einreiseverboten belegt wurden, erhielten andere hingegen Ausreiseverbote und sehen sich nun mit Strafverfahren konfrontiert.
Zu den Verhaftungen gibt es seitens offizieller Stellen in der Türkei keine Auskünfte. Auch zu den Ermittlungen werden keine Informationen bekanntgegeben. Während Ausreiseverbote in der Regel nur als Vorsichtsmaßname verhängt werden sollten, mutieren sie im Fall der Mitglieder der alevitischen Gemeinschaft als Mittel der Bestrafung durch die türkische Regierung. Dies betrifft nicht nur die alevitische Gemeinschaft, sondern alle oppositionellen Gruppierungen in der Türkei. Das Institute for Criminal Policy Research (ICPR) gibt jüngst an, dass die Türkei das Land mit dem höchsten Anstieg von Inhaftierungszahlen in Europa darstellt, weltweit belegt die Türkei Platz vier auf der Liste.
Gegen diese Repressalien rufen wir Alevitinnen und Aleviten in Deutschland, von denen etwa 70 % bereits eine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und die in Sachen Integration immer als vorbildlich gelten, die Bundesregierung und die Öffentlichkeit zur Solidarität mit der alevitischen Gemeinschaft auf. Insbesondere das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft in der Türkei bitten wir eindringlich darum, das Gerichtsverfahren gegen Turgut Öker zu begleiten.
Alevitische Gemeinde Deutschland e.V.