Der Alevit Metin Arslanoglu wehrt sich gegen Angriffe eigener Landsleute. Vor allem in Remscheid gab es Streit nach der Wahl Erdogans.

Nach der Wiederwahl des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gab es in Solingen und Remscheid Autokorsos seiner Anhänger. Während es in Solingen friedlich blieb, kam es in Remscheid zum Streit mit der Polizei. Unsere Zeitung sprach mit Metin Arslanoglu über die Gründe. Er ist Vorsitzender des Alevitischen Kulturvereins Remscheid und Umgebung – die Aleviten im Bergischen sind nicht zum ersten Mal Angriffen ausgesetzt.

Herr Arslanoglu, nach der Wiederwahl des türkischen Staatspräsidenten Erdogan werden Mitglieder Ihrer Gemeinde auf offener Straße beschimpft, türkische Autokorsofahrer liefern sich Wortgefechte mit der Polizei. Was ist eigentlich los in der türkischen Gemeinde?

Metin Arslanoglu: Jeder Mensch hat seine politischen sowie religiösen Überzeugungen. Der Unterschied zwischen der deutschen und türkischen Politik, Politikern und deren Anhängern ist die Art der Diskussion und Handlung. SPD und CDU sprechen miteinander, diskutieren, können sich aber anschließend die Hand geben und friedlich nach Hause gehen. Dies gelingt einigen türkischen Mitbürgern nicht.

Warum nicht?

Arslanoglu: Es herrscht tiefes Misstrauen zwischen den Anhängern Erdogans und anderer Parteien. Statt miteinander zu diskutieren, beschimpft und beleidigt man sich. Leider wird dies durch die Politiker geschürt.

Gilt das auch für die Gemeinden und Vereine?

Arslanoglu: Nein. Auch wenn wir unterschiedlichen Glaubens sind und unterschiedliche politische Ansichten haben, stehen wir seit vielen Jahren in guten Kontakten zu den anderen türkischen Gemeinden. Diese Gemeinden haben mit den Angriffen auf uns nichts zu tun, da bin ich ganz sicher. Bei denjenigen, die vor einer Woche vor unserer Tür standen, handelt es sich um eine kleine Clique von Scharfmachern.

Warum steht gerade Ihre Gemeinde so im Fokus?

Arslanoglu: Wir Aleviten gelten den Nationalisten und Islamisten als Häretiker, als Ungläubige. Wir sind ihnen zu weltoffen, zu liberal, zu westlich, zu aufgeschlossen. Wir sind friedfertig, nehmen alle Menschen als Gottes Geschöpf an. Egal, welchen Glauben sie haben, welche Hautfarbe, welche sexuelle Orientierung. Männer und Frauen sind bei uns gleichberechtigt, es wird sehr viel Wert auf die Bildung gelegt. Der „Mensch“ steht im Mittelpunkt.

In Deutschland gelten die Aleviten als beispielhaft für gelungene Integration.

Arslanoglu: Ja. Das hat mit unserem humanistischem Glauben zu tun, der zwischen Christentum und Islam anzusiedeln ist. Unsere Gelehrten sagen: Der Weg ohne Wissen führt in die Finsternis. Bildet Euch. Das tun die Aleviten. Sie stellen Fragen und stellen auch sich selbst in Frage. Das ist, was uns gegenüber vielen anderen Türkischstämmigen unterscheidet.

Ihre Gemeinde ist nicht zum ersten Mal attackiert worden. Schon nach dem Türkei-Referendum gab es Krawall. Auch als die linke Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen bei Ihnen zu Gast war. Was wollen die Angreifer?

Arslanoglu: Sie wollen Andersdenkende zum Schweigen bringen und Unruhe in unserer gesamten Gesellschaft stiften. Das dürfen wir nicht zulassen. Es kann doch nicht sein, dass in Deutschland, wo wir alle leben, andere Menschen beleidigt und bedroht werden, nur weil man unterschiedlicher politischer oder religiöser Auffassung ist. Jede Partei hat das Recht, ihre gewählten Abgeordneten zu entsenden – damit meine ich übrigens auch die von der AfD.

Bereitet Ihnen die Entwicklung Sorge?

Arslanoglu: Ja. Solche Cliquen, die vor unserer Tür Krawall machen und sich mit der Polizei anlegen, schaden der gesamten türkischen Community enorm. Wir leben in Deutschland und wir haben uns nach dem deutschen Grundgesetz zu richten. Das heißt nicht, dass wir unsere Kultur und unseren Glauben aufgeben müssen.

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